museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2007
Authentizität
15.03.2007
Intelligente Wesen haben die Fähigkeit, sich zu verstellen. Menschen haben darüber hinaus die Fähigkeit, Meinungen zu verbreiten, die nicht ihrer Überzeugung entsprechen, weshalb die Frage, inwiefern Verhalten und Verlautbarungen echt, also authentisch sind, im Leben permanent aktuell ist. Die Welt ist ja ein großer Basar für Waren und Weltanschauungen, und da möchte man schon gern wissen, ob die Anpreisungen stimmen, bevor man etwas kauft bzw. jemand etwas abnimmt. Wie schon in der Wissenschaft haben wir daher auch bei Personen das Problem, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden. Wer allerdings selbst oberflächlich ist oder auf den Schein hin lebt und agiert, um den Erwartungen seiner Mitmenschen und deren Moral zu entsprechen, wird die Frage nach Schein und Sein wahrscheinlich gar nicht verstehen und wird gar nicht wissen, warum jemand oder etwas, z.B. ein Kunstwerk, ihn mehr anspricht als jemand oder etwas anderes, z.B. eben wegen dessen Authentizität. Aber auch wenn Lügen mehr oder weniger leicht über die Lippen fließen, bei der anderen Sprache des Menschen, bei seiner
Körpersprache, fällt es ihm schon viel schwerer, sich zu verstellen, weshalb es immer gut ist, auf sie zu achten.
Nicht nur in Asien hat man das Problem, „sein Gesicht“ zu wahren. In unserem Kulturkreis ist es das Image, um das es vielen geht, besonders wenn die wirtschaftliche oder politische Existenz davon abhängt. Einstein wirkte so echt, weil er als Autist (Aspergersyndrom) gar nicht anders konnte, so dass seine Schwierigkeit, seine aus dem Bauch heraus kommenden wissenschaftlichen Überzeugungen nachvollziehbar zu begründen, seinem Ansehen kaum Abbruch tat. Das Charismatische von Menschen hat eben oft mit einem mentalen Defekt zu tun, der sie einseitig prägt und der den Normalsterblichen fasziniert, der ja nichts von dem Mangel weiß, der diese Menschen antreibt. Der Weg zur eigenen Authentizität beginnt mit der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und dem Mut, sich Mängel und Fehler einzugestehen, und der Bereitschaft, dagegen anzukämpfen. Es ist oft ein langer Weg.