museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2007

Die Vernunft stellt mehr Fragen, als sie nach ihrer Natur beantworten kann

15.08.2007

Zu sagen: "ab heute bin ich objektiv" mag zwar die Aufmerksamkeit schärfen, aber mehr noch nicht. Mehr bringt da schon die Frage, woher ich denn etwas wissen kann, was das Prädikat "Wissen" verdient. Dazu muss ich mir als Erstes die Situation klar zu machen versuchen, in der ich stehe, ist doch alles Wissen relativ zu den Erkenntnismittel, über die ich verfüge. So ist ausgeschlossen, dass es eine Wahrheit an sich gibt. Zuerst muss ich daher nach den Mitteln meiner Erkenntnis fragen, will ich über Erkenntnisgewinnung philosophieren. Hier bietet die Hirnforschung heute eine große Hilfe an, weshalb für mich die Neurophilosophie die Zukunft der Erkenntnistheorie ist - die Verbindung von Hirnforschung mit philosophischen Fragestellungen, denn auch der reine Hirnforscher muss sein Tun und Urteilen stets kritisch hinterfragen. Seine Erkenntnissituation ist die gleiche wie die aller übrigen Menschen. Auch er muss interpretieren.

Eine große Hilfe ist da die Autismusforschung geworden. Im Script zum Autismusthema in der WDR-Sendereihe Quarks & Co heißt es auf S.17: "Selten haben Wissenschaftler von einer Krankheit soviel über den Menschen gelernt wie bei der Erforschung des Autismus. Gerade für die Hirnforschung ist der Autismus eine Chance, das Denken und Fühlen der Menschen besser zu begreifen..." - wenn man auch dabei immer die Grundsituation des Hirns bedenkt, dass einerseits prinzipiell nichts weiß, andererseits aber über eine Ratio verfügt, die überall nach Bedeutungen sucht und Zusammenhänge herstellen möchte, auch da, wo keine sind, wie uns z.B. der Glaube und der Aberglaube lehrt, die das Vakuum unseres Wissens ausfüllen wollen. Denn die Vernunft stellt mehr Fragen, als sie ihrer Natur nach (selbst) beantworten kann, wie Kant lehrte.

 

Zum Weiterlesen:

Anmerkungen zur Erkenntnistheorie

http://www.helmut-hille.de/gedanken.html

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