museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2007

Gadamer und das hermeneutische Problem II

15.10.2007

Die Sprache und damit auch der Text gehören zu einer "Zwischenwelt", in der geistige Gehalte durch Modulation oder Konfiguration von Materie zwischen Personen transportiert werden. "Jedenfalls versucht der Schreiber, wie der im Gespräch Befindliche, das mitzuteilen, was er meint, und das schließt den Vorblick auf den anderen ein, mit dem er Voraussetzungen teilt und auf dessen Verständnis er zählt. Der andere nimmt das Gesagte, wie es gemeint ist, d.h. er versteht dadurch, daß er das Gesagte ergänzt und konkretisiert und nichts in seinem abstrakten Sinngehalt wörtlich nimmt." (Gadamer, Betonung von mir) Es kommt eben auf das Erfassen des Sinngehalts des Gesagten oder Geschriebenen an und nicht auf den toten Buchstaben.

"Die Schrift tötet, aber der Geist macht lebendig." (Meister Eckhart) Oder wie Plutarch Parmenides verteidigt: "Indem nun Kolotes einzelnes aus seinem Zusammenhang löst und es dann wörtlich, und d.h. falsch, interpretiert und sich statt auf die Sache auf den Buchstaben beruft, behauptet er, daß Parmenides alles abschafft, wenn er annimmt, daß das Seiende eins ist. Parmenides jedoch schafft keine von beiden Naturen ab, sondern gibt jeder Natur [des Wissens: der logisch erkennbaren wie auch der meinbaren] das ihr Zukommende."

 

* Zitate aus "Gadamer Lesebuch" UTB, Tübingen: Mohr 1997

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