museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2006

Haben wir die Idee der Evolution schon wirklich verstanden?

15.09.2006

In der Forschung treffen Fakten häufig auf ein Denken von Forschern, das diesen Fakten nicht angemessen ist, wodurch es dann das gibt, was sie "Probleme" nennen, die aber oft nur die Probleme ihres unangepassten Denkens sind. Wer also ein Determinist ist, wird selbstschöpferische Hinweise bestreiten oder gleich nicht beachten. Gottgläubige dagegen wollen überall die Hand des Schöpfers im Spiel sehen. Das sind einige der Denkweisen, die der Idee der Evolution noch heute im Wege stehen. Aber es ist auch zu fragen, ob die Anhänger des Evolutionsgedankens selbst ihn immer als einen immanenten selbstschöpferischen Prozess verstanden haben oder verstehen, denn fast stets, wenn ich Biologen von der Evolution sprechen höre, argumentieren sie nämlich mit einem Prozess der "Anpassung", obgleich es genetisch gesehen diesen gar nicht gibt, sowenig wie es die Vererbung erworbener Eigenschaften gibt. Genetisch gibt es nur einen Prozess der Verzweigung von Stammbäumen durch Varianten, die bei der Mischung der Gene innerhalb eines Genpools entstehen, wenn wir hier einmal von der Fortpflanzung durch Zellteilung absehen. Die vielzitierte "Anpassung" dagegen ist das Ergebnis der Auslese von Varianten durch die Bedingungen ihrer Um- und Mitwelt in den Augen eines Beobachters, der sich das Ergebnis mit der Vokabel "Anpassung" rational verständlich zu machen versucht und auf diese Weise der Natur

einen Anpassungswillen unterstellt. Doch die Natur ist blind und ziellos. Und sie unterliegt auch nicht irgendwelchen Naturgesetzen, sondern was wir Naturgesetze nennen, ist Folge ihres Soseins in einem freien Spiel der Kräfte.
Wie können wir also den Prozess der Evolution als einen selbstschöpferischen, seine Gesetzmäßigkeiten selbst hervorbringenden Prozess am besten verstehen? Ich denke, dass uns da die Idee der Emergenz hilfreich ist, weil sie zeigt, dass weder Eigenschaften aus dem Nichts entstehen, noch dass es sie definitiv vorher schon gegeben haben muss, noch dass ihre Entstehung zwangsläufig ist. Sondern durch die Neigung der Materie sich zu verbinden, kommt es unter Hinzunahme oder Abgabe von Energie ungeplant zur Mischung qualitativ unterschiedlicher Elemente zu einer neuen Einheit mit nach außen hin neuen Wirkungen, wie sich dies auch in der Physik und Chemie erwiesen hat. Mental ist es dabei die Mischung aus objektiven, durch die Sinne hereinkommenden Daten mit den subjektiven adaptierenden Elementen unseres ordnenden Verstandes, durch die für uns fortschreitend eine neue Welt entsteht, die wir die geistige nennen, die es jedoch kritisch zu hinterfragen gilt, wollen wir uns nicht zufälligen Ergebnissen der unbewussten Adaption überlassen.

 

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