museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2008
Alle Erkenntnis ist relativ zu den Erkenntnismitteln
15.01.2008
Wenn man jung ist, glaubt man, das Kennzeichen des Realen sei seine Messbarkeit. Was ich messen kann, existiert. Aber was existiert da, wenn ich die Distanz zweier Objekte messe? Muss ich nicht dazu zuerst den Begriff der Distanz haben, um sie messen zu können? Ja selbst wenn ich von einem Objekt eine Länge messe, die mir ganz klar vor Augen zu liegen scheint, muss ich doch zuerst den Begriff der Länge haben, ohne den ich mein messendes Tun gar nicht begreifen könnte. Und dazu bedarf es noch der definierten Einheit der Länge sowie eines Maßstabs, der diese durch die internationale Meterkonvention vom Mai 1875 vereinbarte Einheit zuverlässig wiedergibt, wofür die Eichämter mit ihren Referenznormalen sorgen. Ich messe also nicht reale Sachen, sondern mir verständliche Aspekte, die ich an die Erscheinungen herantrage, um mit ihnen in nützlicher Weise umgehen zu können. Alle Erkenntnis ist eben relativ zu den Erkenntnismitteln. Ohne diese sorgsam abgeklärten Mittel geistiger und realer Art gibt es keine quantitative Erkenntnis, die diesen Namen verdient.
Dabei haben wir gerade gesehen, wie vieler Voraussetzungen es bereits bedarf, um auch nur die Länge eines Gegenstandes verbindlich feststellen zu können, wobei die wichtigste Aussage ist: Maße werden nicht gemessen, sondern definiert. Sie sind keine Frage der Wahrheit sondern der Gültigkeit! Ohne zuvor definierte und durch Konventionen vereinbarte immer und überall gleiche Maßeinheiten und sie möglichst zuverlässig wiedergebende Messinstrumente kann es in der Wissenschaft wie im Handel keinen Vorgang geben, der die Bezeichnung "Messung" verdient und auf den man sich berufen könnte. Und wenn reale Maßstäbe durch Änderung ihrer Randbedingungen von der Norm abweichen, so kann man dies nicht freihand, sondern eben nur durch nichtabweichende Referenz-Maßstäbe wissen, während die definierte Maßeinheit von derartigen Abweichungen völlig unberührt bleibt. Andernfalls würde unsere technische Zivilisation im Chaos versinken.
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