museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2009
Tanz der verschränkten Quanten
15.07.2009
Heute, am 21. Mai 2009, habe ich verschränkte Quanten tanzen gesehen. Es war in Heilbronn im Konzert- und Kongresszentrum Harmonie bei den "Swinglegenden". Erst war Max Greger auf der Bühne, dann spielte Hugo Strasser und die SWR Big Band. Danach sang Bill Ramsey seine bekannten Oldies. Und dann kamen als "Special Guests" sie, die Kesslerzwillinge, in schwarzen glitzernden Kostümen. Und während einer der Zwillinge nach der Melodie von "New York, New York" auf der linken Seite der Bühne tanzend seinen Zylinder nach links schwenkte, schwenkten ihn der andere auf der rechten Seite gleichzeitig nach rechts, ohne dass sie aufeinander achteten. Sie waren Spiegelbilder und die Lichtgeschwindigkeit spielte zwischen ihnen keine Rolle. Auch mit ihren Hüftschwüngen, Schritten und den übrigen Gesten war das so - ein perfektes Abbild zweier verschränkter Quanten (kleinste Einheiten einer Energie in der Mikrophysik), die zwar für den Beobachter zwei Objekte sind, jedoch sich als eines verhalten, wenn auch spiegelverkehrt.
Erfährt eines von ihnen eine Änderung, z.B. seiner Schwingungsebene (Polarisation) oder seines Spins, nimmt im gleichen Moment das andere auch weit von ihm entfernte Quant die Gegenposition ein. Zeilinger in Wien hat es demonstriert. Ursache der Verschränkung der untersuchten Quanten ist ihre gemeinsame Emission. Das ist bei Alice und Ellen Kessler genauso. Bei ihnen ist der einige Ursprung Voraussetzung für ihr gleiches Geschlecht, Aussehen, synchrones Auftreten und Schicksal.
So tanzen sie - was ihre Faszination ausmacht - wie ein einziges Objekt schon seit Jahrzehnten auf den Bühnen der Welt, und wirken dabei um kein Bisschen gealtert. Ebenso tanzen die Sterne des Universums dank der Gravitation seit Milliarden von Jahren unermüdlich umeinander herum. Denn ihre Materie wurde durch den Urknall ebenfalls miteinander verschränkt, was sie selbst über weite Räume zueinander hinstreben lässt, woran sie jedoch im Großen durch die ebenfalls beim Urknall entstandene kosmische Fliehkraft gehindert werden. Das gegliederte Universum ist das Abbild der beiden Kräfte und damit der größtmögliche Beweis, der für eine These überhaupt möglich ist. Ob also Mikrokosmos oder Makrokosmos oder auch wie in unserem Beispiel im Mesokosmos - überall finden wir das Gesetz der Verschränkung, das sich Teile als Eines und Ganzes verhalten lässt.
Bei einer Verschränkung von Objekten tauchen Eigenschaften auf, die man dem einzelnen Objekt zuvor nicht angesehen hat, weshalb es m. E. keine Weltformel geben kann. Die Natur ist immer für Überraschungen gut und ich halte es für sehr unklug, das Faktum der Verschränkung weiterhin zu bestreiten, wie es die Materialisten tun, die alles rein mechanisch erklärt haben wollen, obwohl sich immer wieder erweist, dass die Macht des Sichtbaren auf der Macht des Unsichtbaren beruht. Es sich in seinem biederen Hausverstand "nicht vorstellen" zu können, wie Schwerkraft und Verschränkung funktionieren, zeigt doch nur, dass die Realität allen Augenschein und alle Denkbarkeit übersteigt. Und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis, die man überhaupt gewinnen kann.
Zum Weiterlesen: "Kosmologie ohne Scheuklappen", mein DPG-Vortrag von 2009