museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2010
Evolution contra Schöpfungsglaube? II
15.02.2010
Leben als eine neue Qualität des Daseins ist die Selbstorganisationsform einer Materie, die durch ständige Aufnahme von Energie und durch Reproduktion sich von selbst durchhält, indem sie fremde Strukturen auf deren Kosten zu ihrer eigenen macht. Leben ist kein Prozess der Anpassung, sondern der Überwältigung! Als aneignende und sich vermehrende Struktur ist Leben von Natur aus "böse". Da gibt es nichts zu beschönigen.
Aber alles ist EIN LEBEN. Alles lebt von- und füreinander. Mit Genvielfalt und Immunstrategien versucht es, sich gegen die eigenen Aggressionen zu schützen. Die Vielfalt des Lebens entstand, als es ihm gelang, unterschiedliche Gene zu mischen (geschlechtliche Fortpflanzung), was zum Auftauchen neuer Charaktere führte und auf Dauer durch Genvarianten und ggf. Isolierung in Biotopen auch zu Unterarten und neuen Arten.
Symbiotische Beziehungen sind ferner ein Hinweis darauf, dass neue Lebensformen auch durch Kombinationen von Einzelorganismen entstehen können. Auch hier ist die Existenz unterschiedlicher Qualitäten Voraussetzung von Vielfalt. Parmenides, aus einem Geschlecht von Medizinern, beschrieb in der Antike diesen Trieb zur Mischung so: "bei allem und jeden - das Mehr an Mischung nur ist ihnen Gedanke." Auf diese Weise ist der geheime Schöpfer potentiell in allen Dingen. Und wenn die Voraussetzungen gegeben sind, tritt er in Erscheinung.
Alle sollten so intelligent sein, zwischen dem Glauben und der Wissenschaft keine unüberbrückbaren Grenzen zu sehen, sondern sollten versuchen, die eine Sprache in die andere zu übersetzen. "Der Buchstabe tötet. Doch der Geist macht lebendig." Haben wir also Geist. Beider Lehren sind Ausdruck des jeweiligen Wissens und der jeweiligen Reife und Artikulierungsfähigkeit von Menschen. Auch die Wissenschaft ist nicht das Ende des Wissens, ist sie doch zumeist nur ein Wissen für uns und damit vorläufig. Zudem wird sie noch an vielen Stellen vom doktrinären Geist eines platten Materialismus durchweht, der alles rein physikalisch "erklären" möchte.
Theologen und Naturwissenschaftler müssen sich also mehr Mühe geben. Doch schon Papst Johannes Paul II. hat in seiner Klugheit im Oktober 1996 vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften die Evolution "mehr als eine Hypothese" genannt. Und der Wissenschaft muss das Verstehen der Dinge unter Berücksichtigung der Beobachterrolle folgen. Dieses selbstkritische Verstehen nennt man Weisheit.
Parmenides aus Elea (ca. 540-480): "Mit dem Verstand erschaue das (scheinbar) Abwesende als ein beständig Anwesendes..."
Heraklit (ca. 544-483): "Wenn das Unerwartete nicht erwartet wird, wird man es nicht entdecken,..."
Helmut Hille