museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2011

Warum das Immunsystem so wichtig ist

15.05.2011

Luft, Erde und Wasser sind voller Keime, die auch vom menschlichen Körper leben wollen. Trotzdem merken wir von ihnen meistens nichts. Das verdanken wir unserem Immunsystem. Seine nicht zu überschätzende Rolle wird am besten dadurch verständlich, dass wir uns ganz nüchtern klar machen, was Leben ist: Leben ist die Fähigkeit einer Materie, fremde Strukturen in die eigene zu verwandeln, wie wir das schon von der Nahrungsaufnahme her kennen. Der Löwe, der sich von Springböcken ernährt, bleibt doch immer ein Löwe. Das Ziel der Anverwandlung ist nach dem Selbsterhalt die Selbstreproduktion. Diese ist gewissermaßen der Sinn des Lebens.

Am besten erkennen wir diesen Sinn an den Viren. Viren sind Zellparasiten ohne eigenen Fortpflanzungsmechanismus, die ihren Wirt veranlassen, seinen Vermehrungsapparat zu dem ihren zu machen. Viren haben keinen Stoffwechsel und brauchen daher keine Nahrung, sondern sind reines Programm und dabei in der Strategie des Andockens sehr wandlungsfähig, um Barrieren der potentiellen Wirte zu unterlaufen, z.B. deren Andersartigkeit zu ihrem bisherigen Wirt, auf den sie programmiert sind. Zu enge Gemeinschaft der Menschen zu Tieren ihres Lebensraumes bei fehlender Hygiene sorgt immer wieder dafür, dass Mutanten ihrer Viren die Tier-Mensch-Barriere überwinden, wie wir das z.B. von der Schweine- und Vogelgrippe her kennen.

Am fiesesten ist da der HIV-Virus, der gleich das Immunsystem selbst umprogrammiert und es zu einer Infektionsquelle macht.
Artenvielfalt verbunden mit Artenbarrieren aller Art sind wichtige Ergebnisse dieses Kampfes ums Überleben, mit dem sich das Leben gegen seine eigene Aggressivität zu schützen versucht. Eine weitere wichtige Barriere im immerwährenden Kampf gegen Krankmacher ist dabei die genetische Einzigartigkeit von Lebewesen. Ja, man kann sagen, dass die sexuelle Fortpflanzung, bei der durch Mischung der Gene genetisch verschiedener Partner immer wieder weiter genetisch verschiedene Lebewesen entstehen, eigentlich nur der Abwehr von Krankmachern dient, weshalb einer an einer Infektion stirbt, der andre aber nicht. Und fast ganz nebenbei werden bei der Befruchtung z.B. erbliche Dispositionen eines Chromosomensatzes zu Krankheiten zumeist durch den 2. neutralisiert. Unterstützt wird der Prozess der

Diversifikation durch die Lernfähigkeit des Immunsystems selbst, während die Gene eines Lebewesens von sich aus unveränderlich sind. Es gibt eben keine Fortpflanzung erworbener Eigenschaften, wie selbst Darwin noch glaubte. Doch indem der immunlogisch besser ausgestatte überlebt, werden seine Nachkommen ebenso besser ausgestattet sein, soweit auch der Zeugungspartner es war. Man sagt, Frauen erkennen die Qualität des Immunsystems eines Mannes an seinem Geruch, während sie aus dem gleichen Instinkt zur erfolgreichen Weitergabe der eigenen Gene heraus ihren eigenen gern durch Düfte verschleiern, weshalb die Nachkommenschaft immunologisch dann evtl. doch nicht die beste ist.

In der langen Geschichte der Evolution wurde das Immunsystem darauf eingestellt, gefordert zu werden. Heute sagen Ärzte, dass seine Schonung durch fortgeschrittene Hygiene zu seiner Unterforderung geführt hat, wodurch es sich in seinem Übereifer nun auch gegen körpereigene Zellen richtet. Man kennt heute ca. 60 Autoimmunkrankheiten wie z.B. Rheuma, Multiple Sklerose und Allergien. Menschen, die einst als Kinder im Dreck spielten, bleiben also gesünder, weshalb auch Menschen unter hygienisch katastrophalen Zuständen überleben, haben sie doch ein besser trainiertes Immunsystem, während der westliche Mensch dank seiner Hygiene immunologisch eher degeneriert, was er durch Impfungen auszugleichen versucht. - Gene werden ja nicht nur bei der Zeugung neu gemischt, sondern der Körper selbst kombiniert seine Keimzellen immer wieder neu, Meiose genannt, weshalb auch Geschwister genetisch verschieden sind, soweit es sich nicht um eineiige Mehrlinge handelt.

So haben sich bei der Entwicklung des Lebens viele Strategien ergeben, die seiner eigenen Aggressivität Grenzen setzen. Mit dem Immunsystem mitzudenken hilft uns, diese Überlebensstrategien erfolgreicher zu machen und die Lebenserscheinungen in ihrer Gesamtheit zu verstehen.

Zum Weiterlesen: Text III/2 auf WEGE DES DENKENS "Die Genese des Lebens"


 

 

 

 

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