museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2011
Was wollen wir wissen? (I)
15.07.2011
Eine alte Tradition wieder aufleben lassend, ist dies die Preisfrage von 2002 der Jungen Akademie, welche die beiden ältesten deutschen Akademien der Wissenschaften, "Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina" in Halle sowie die "Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften", Nachfolgerin der "Preußischen Akademie der Wissenschaften", zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs ins Leben riefen, der damals "vierzig Mitglieder quer durch die Geistes- und Naturwissenschaften" angehörten. Gerade die beim näheren Hinsehen unscharfe Fragestellung reizte mich, einen Kommentar abzuliefern, der mir letztlich eine Einladung nach Berlin zur Preisverleihung einbrachte, von der ich am Schluss noch berichten werde. Anschließend mein zweiseitiger Beitrag in drei Teilen, den man auch "Wie hermetisch ist die Wissenschaft?" titeln könnte. Hier meine Antwort auf die Frage der Jungen Akademie:
Die Wissenschaftler der Jungen Akademie fragen also "Was wollen wir wissen?" Fragen sie das uns, was "wir", die Leser ihrer Frage wissen wollen, oder sollen die Leser erraten, was sie, die jungen Wissenschaftler wissen wollen? Beide Auslegungen der Frage sind möglich. Interessiert die Junge Akademie was andere wissen wollen, wahrscheinlich von ihnen, dann ergibt sich die Frage, wer ist "wir"? Sind da alle Bürger schlechthin gefragt oder zumindest alle Steuerzahler, denn es heißt ja, wer zahlt schafft an. Und da die meisten Wissenschaftler vom Staat und damit letztlich vom Steuerzahler bezahlt werden, wären wahrscheinlich die Steuerzahler gefragt, was sie wissen wollen, also wofür ihr Geld ausgegeben werden soll. Die meisten von ihnen wollen sicher, dass beim Forschen "hinten was rauskommt", was einen Nutzen hat.
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit erst einmal Arbeitsplätze, wie die Politiker sagen. Dann etwas für die Gesundheit, wie die Leute sagen, zum Beispiel gegen Rheuma, das sehr verbreitet ist. Dass man nur wenig gegen den alljährlichen Schnupfen tun kann, damit haben sich die meisten von ihnen wahrscheinlich schon abgefunden.
Dann sind da noch die Bildungsbeflissenen, meist männlich mit genügend Zeit, die sich Wissenschaftssendungen anhören oder ansehen und die Wissenschaftsbeilagen lesen, sich evtl. ein Wissenschaftsmagazin halten oder Bücher zu wissenschaftlichen Themen wenigstens kaufen. Sie wollen etwas mehr über die Welt wissen, z.B. über den Yeti (immerhin bei google.de ca. 93.300 Fundstellen), oder über die Ungeheuer der Tiefsee, oder was die Zukunft bringt, z.B. an technischen Entwicklungen. Oder ob es sich lohnt einen PC zu kaufen, der in drei Wochen schon wieder veraltet ist. Oder ob wir eines Tages selbst ins Internet integriert und von ihm gesteuert werden.
Man wird es mir nicht glauben wollen, dass ich erst vor kurzem bedauert habe, dass es keine Preisfragen mehr gibt. Jetzt, wo ich im Ruhestand bin und Zeit habe. Und dann da auch noch die Frage, was "wir" wissen wollen. Das hat doch eigentlich noch nie jemand interessiert! Alle die subventioniert werden, ob Theater oder Wissenschaftler, wollen als gelernte Hermetiker doch vor allem gut gegenüber Kollegen dastehen und in die Literatur eingehen. Der Besucher bzw. Leser als Laie versteht doch sowieso nichts von der Sache: "Was, der will was wissen?" oder "Was will der schon wissen?"
Subventionen wären also zu überdenken. Wenn jeder nur gemäß echter Nachfrage produzieren würde, würde nicht nur viel Geld gespart, sondern dann sollte man mal erleben, wie unsere Meinung tatsächlich gefragt wird. Aha! Die Junge Akademie will also Mittel einwerben, darum fragt sie uns, was "wir" wissen wollen. Das wäre ja schon mal ein erfreulicher Anfang - wenn es denn so wäre.
(Ende von Teil I)