museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2011
Was wollen wir wissen? (II)
15.08.2011
Da ich nur im Singular existiere und allein lebe, habe ich allerdings das Problem, dass ich nur für mich antworten kann, will ich nicht – wie bisher – nur Vermutungen ausstreuen. Ja, was möchte ich denn wissen? Interessiert das jemand wirklich? Hätte man dann aber nicht gefragt "Was wollen Sie wissen?" Oder wenn es mehr an die Jugend gerichtet sein soll "Was willst du wissen?", um nicht zu fragen "Was weißt du denn schon?", was ganz schön herablassend klingen kann. Oder hätte es nicht noch präziser heißen müssen "Was wollen Sie von der Wissenschaft wissen?" Oder noch besser: von der Jungen Akademie? Oder auch "Was willst du von der Wissenschaft wissen?", wenn es denn um die Stimme der Jugend ginge. Die will dann vielleicht wissen, wann der nächste Harry-Potter-Band oder –Film rauskommt. Magie ist ja wieder "in". Oder die Pubertären unter ihnen wollen wissen, wann gibt es endlich die Pille-danach? Und warum dauert die ganze Forscherei immer so lange? Aber eigentlich habe ich doch den Verdacht, dass sich die jungen Wissenschaftler selber fragen, "Was wollen wir wissen?", was ja irgendwie vernünftig ist. Man kann ja nicht einfach so drauflos forschen, sondern muss ein Ziel haben. Aber dann haben sie ein paar kleine Beträge ausgelobt, die nicht an Mitglieder gezahlt werden dürfen. Also, muss ich mich doch offenbaren, wenn ich ans Geld will, das ich ganz gut brauchen könnte. Aber wer kann das nicht?
Also, was will ich wissen? Zum Beispiel, was vor dem Urknall war. Schwierig! Oder warum Einstein uns die Zunge rausstreckt. Noch schwieriger! Oder warum man eine Distanz messen kann, obwohl sie ja keine Sache ist. Fast hoffnungslos! Nicht einmal im DIN-Ausschuss für Einheiten und Formelgrößen kann man sich einigen, was eine physikalische Größe ist.
Dann hätte ich noch gern gewusst, warum die meisten Menschen Sätze formulieren können, aber es nur wenigen gelingt, eine Melodie zu verfassen. Da scheint mir die These, dass die frühen Hominiden zuerst gesungen haben, bevor sie sprechen konnten, nicht sehr plausibel, wo es viel schwieriger ist, eine Melodie zu erfinden als einen Satz. Denn die Melodie muss ja stimmen. "Stimme" kommt ja von "stimmen". Oder umgekehrt. Und das einfach nur durch Essen von viel Eiweiß das Gehirn der Frühmenschen so zugenommen hätte, wie die Materialisten behaupten, also physikalisch statt neuronal argumentieren, wo es doch um Neuronen geht, also um Klasse statt um Masse, kann ich auch nicht glauben, da bei den Muskeln letztlich auch nur zunimmt, was trainiert wird.
Also sind eher die Menschen durch Herausforderungen zu mehr Gehirn gekommen. Und ist das nicht immer noch so? Oder müsste es zumindest nicht so sein? Wird es uns gelingen soviel "Hirn" zu entwickeln, dass sich die Menschheit nicht durch ungezügelten Raubbau ihrer Lebensgrundlagen beraubt? Und haben Wissenschaftler nicht ganz entschieden zu dieser immer bedenklicher werdenden Entwicklung beigetragen? Wäre hier nicht ein Umdenken angesagt? Eine liebende Hinwendung an die Gegenstände des Forschens? Damit wir nicht nur wissen, was sie für uns sind, sondern wir auch ihren Eigenwert kennen und respektieren? Und müssten deshalb nicht viel mehr Frauen mit mütterlichen Instinkten in die Forschung, damit die lebenserhaltenden Strategien besser bedacht werden? Also, alles keine leichten Fragen. Doch werden die Wissenschaftler sich ihrer annehmen? Wird sich die Junge Akademie ihrer annehmen?
(Ende von Teil II)