museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2012

Das Herstellen von Relationen und eines Reichs des Möglichen

15.04.2012

Relationen sind Beziehungen, die ein Beobachter zumeist automatisch und damit unbewusst herstellt. Relationen können formal, also nur für den Beobachter existierend sein, oder real, also auch in der Sache vorliegend, was jedoch von Fall zu Fall erst zu ermitteln ist und nicht im Vorhinein feststeht. Eine reale Beziehung besteht z. B. zwischen zwei Körpern durch die sie verbindende Schwerkraft oder zwischen einer Lichtquelle und dem Empfänger ihres Lichts, eben durch das die beiden verbindende Licht. Am häufigsten hat jedoch der Mensch mit Relationen zu tun, die er rein geistig zu seinem eigenen Verständnis herstellt, so wenn er sagt, dieser Apfel ist größer als jener, oder der Bäcker A ist weiter weg als der Bäcker B, oder Franz läuft schneller als Fritz. Größer zu sein, weiter entfernt zu sein oder schneller zu sein, oder das Gegenteil, sind keine Eigenschaften, welche Dinge für sich selber haben, sondern die nur in den Augen des Beobachters existieren. Sie entstehen durch geistige Verknüpfungen.

Durch Verknüpfung ordnen wir dem Wahrgenommenen uns Verständnis gebende Eigenschaften zu, z.B. durch die Zugabe eines Ortes die Eigenschaft der Bewegung, d.h. der Ortsveränderung. So gibt es auch hierbei die Mischung aus objektiven und subjektiven Elementen, wodurch etwas Neues entsteht, mit dem wir uns die Dinge geistig und real verfügbar machen, also ein Herrschaftswissen gewinnen, das uns z. B. nach dem größeren Apfel greifen und, um Zeit zu sparen, zu dem näheren Bäcker gehen lässt. Und wenn wir dem Fritz den schnelleren Franz hinterherschicken, dann können wir ziemlich sicher sein, dass er ihn einholt.

Die Interpretation von Wirklichkeit geschieht durch die Zuteilung einleuchtender Eigenschaften, wodurch wir die Dinge geistig in den Griff bekommen. So auch beim Messen. Wir können eine Distanz messen, ohne dass es eine Sache "Distanz" gibt. Überhaupt werden nicht Dinge gemessen, sondern immer nur Aspekte von Dingen, von den Metrologen (Metrologie = Maß- und Gewichtskunde) "Merkmale" genannt, die wir auf Grund

unseres geistigen Vermögens bilden und an die Dinge herantragen. Messen ist also etwas rein Geistiges und setzt den Begriff der benutzten Größe und einen definierten Maßstab voraus, dem der verwendete möglichst genau entsprechen soll. Das ganze Messwesen ist - als Ausdruck von Macht - eine Vereinbarung unter Menschen, um gemeinsam mit der Welt erfolgreich umgehen zu können.

Aber aus dem Erfolg von Handlungen kann nicht auf die Objektivität von Annahmen geschlossen werden, sondern nur auf die Zweckmäßigkeit des Vorgehens, um eine fremde Sache zu einer eigenen zu machen.

Nicht ein Körper selbst besitzt die Eigenschaften "Ort", "Ruhe", "Bewegung", "Geschwindigkeit" und "Richtung", sondern der Mensch besitzt intellektuell die Fähigkeit, durch Benutzung eines Maßsystems ihm diese Eigenschaften, die er nicht für sich selber hat, zuzuordnen und aus dem sich daraus ergebenden Wissen Folgerungen zu ziehen, z. B. über die Energie des Körpers, die er bei der Begegnung mit einem anderen Körper in Abhängigkeit von der Menge seiner Materie hätte. Solange es nicht zu einer Begegnung  zwischen Körpern kommt, gehört diese Energie rein zum Reich des Möglichen, das nur im Kopf des Beobachters existiert, während die Begegnung zum Reich des Realen gehört, in dem sich - unabhängig von einem Beobachter  - etwas ereignet. Nur Ereignisse sind real und daher ist es zum Verständnis des Wissens wichtig, zwischen der virtuellen und der realen Welt zu unterscheiden, wie das die Quantenmechanik tut, ohne sich dazu immer recht erklären zu können, wie Zeilingers Buch "Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik" belegt, weshalb er mit Recht hier auch eine Aufgabe der Philosophie sieht.

Zum Weiterlesen:
Mein DPG-Vortrag von 2006: Die Natur des Wissens verstehen auf ZEIT UND SEIN
auf

http://www.helmut-hille-philosophie.de/natur2.html

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