museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2012
Empathie – was ist das?
15.05.2012
Lt. DUDEN bedeutet "Empathie" (griech.) die "Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen".
Sie steht für das deutsche Wort "Einfühlungsvermögen" und hat zu tun mit "emotionaler Intelligenz". Sie ist intuitiver Natur und die wichtigste Voraussetzung für sozialverträgliches Verhalten. Sie fühlt und erkennt unmittelbar, was ein anderer mit seinem Verhalten und Sprechen erreichen möchte und was ihn antreibt, so dass man sich darauf einstellen kann. Empathie ist gewissermaßen der intuitive Umgang der eigenen Ganzheit mit der eines anderen. Hirnforscher sehen dafür "Spiegelneuronen" verantwortlich.
Empathie beschränkt sich aber nicht nur auf Menschen und Tiere, sondern ist auch Voraussetzung von Sachverstand. Die Fähigkeit, wenigstens rudimentär von der Natur einer Sache her zu denken, macht den sog. "gesunden Menschenverstand" aus, welcher der Menschheit bisher das Überleben gesichert hat. Es habe eben jene Individuen und Gruppen auf Dauer überlebt, welche die Überlebensbedingungen sowohl erkannten, als auch sich ihnen anzupassen vermochten, was heute in einer hochtechnisierten und global vernetzten Welt immer schwieriger wird. Bedenken wir aber unsere Antriebe nicht, wird die Menschheit infolge ihrer Mächtigkeit und großen Zahl am unkontrollierten Egoismus scheitern.
Wie der Beutegreifer "Mensch" als Kind lernen muss, Mein und Dein zu unterscheiden, will er mit seinesgleichen in Frieden leben, so muss er als Erwachsener durch liebende Hinwendung an das Nicht-Ich lernen, Schein und Sein zu unterscheiden, um mit diesen Planeten und seinen Menschen in Frieden leben zu können. Denn der Schein ist dasjenige, mit dem er sich die Welt nach eigenen Erfordernissen geistig angeeignet hat und auf den hin er mit ihr selbstbezogen umgeht. Zu der männlichen Sichtweise, der es um Beherrschung und Ausbeutung geht, muss auch bei Männern die weibliche um liebendes Verstehen gehende Sichtweise der Empathie hinzukommen. Die so sozial so wichtige Fähigkeit der Empathie ist nicht jedem gegeben. Sich in sein Gegenüber nicht hinein versetzen zu können ist das Hauptmerkmal des Autismus. Zu der für Autisten typischen extremen Selbstbezogenheit gehört, nicht die Andersartigkeit eines Gegenübers begreifen zu können. Doch es kann sein, dass sich bei ihnen dafür tiefer liegende
Fähigkeiten des Gehirns auf Gebieten besser entfalten können, bis hin zum "Wunderkind" und "Genie", die eine eigene Logik haben, wie Musik, Mathematik und Physik. Der bekannteste Autist ist der Physiker Albert Einstein, der hauptsächlich auf die "logische Konsistenz" seiner Theorien setzte. Er war ein Meister in Gedankenexperimenten, während ihn reale Experimente kaum interessierten. Auch musste er die Rolle des Beobachters nicht leugnen - er kannte keine! Einstein selbst in einem seiner Reisetagebücher über sich: "In Gleichgültigkeit verwandelte Hypersensibilität. In Jugend innerlich gehemmt und weltfremd. Glasscheibe zwischen Subjekt und anderen Menschen." Max Brod, der Einstein in seiner Prager Zeit kennenlernte: "Der größere wichtigere Teil seines Lebens spielte sich unbewusst ab und zwar im wahrsten Sinne des Wortes unzugänglich für andere wie für ihn selbst.
Absicht dürfe ihm dabei aber nicht unterstellt werden, war er doch im strengsten Sinne des Wortes: unzurechnungsfähig, unverantwortlich für all das, was er tat." Vom Autismus wusste man damals noch nichts. (Zitate aus der Einsteinbiographie von Jürgen Neffe, Rowohlt 2005)
Künstliche Intelligenz kann emotionale Intelligenz nicht ersetzen. Sicher wird man einmal Roboter und Computer bauen können, die sich WIE intelligente Wesen verhalten und die WIE verständige Menschen mit uns sprechen. Aber nur wer den Anschein schon für das Sein hält, wird ihnen Intelligenz, Denken, Gefühl und Mitgefühl zubilligen wollen, die Menschen befähigen, sowohl den Sinn des Gesagten zu erfassen, als auch die Absicht und das Denken das dahinter steht, zu durchschauen, was eben nur mit Empathie gelingen kann. Freilich, wer selbst ohne Empathie ist oder sie nicht wahrnimmt, wird sie auch nicht bei Robotern und Computern vermissen.
Helmut Hille
Zum Weiterlesen:
ZEIT UND SEIN "Gehirn und KI" und die nachfolgenden Texte