museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2015
Das Universum
15.04.2015
Heraklit (ca. 544-483): "Alles fließt"
Das Universum nach Einstein
heißt ein Artikel im "Physik Journal" vom März 2015 anlässlich 100 Jahre Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie (alle Zitate aus dem Artikel). In dem Aufsatz geht es um seine "kosmologische Konstante", die als "Antigravitation" dafür sorgen sollte, dass das "Universum" von konstanter Größe bleibt. Bereits Newton sorgte sich um ein stabiles Universum, das sich aus seiner Gravitationsgleichung nicht ergab. Er beruhigte sich jedoch damit, dass im Notfall Gott eingreifen würde, um ein Auseinanderfallen der Welt zu verhindern. Einstein wollte dies mit seiner Antigravitation erreichen. "Zu seiner großen Überraschung stieß Einstein mit seinem Ansatz auf eine grundsätzliche Schwierigkeit, die bereits frühere Generationen im Rahmen der Newtonschen Theorie erkannt hatten: Seine Feldgleichungen ließen kein statisches Universum zu; entweder musste dieses zusammenfallen oder expandieren."
Dazu passt, dass bereits "ab 1912 der amerikanische Astronom Vesto Slipher die Rotverschiebung von Galaxien beobachtete" und damit eine wichtige Grundlage für die Vorstellung eines expandierenden Universums legte. Die Rotverschiebung des Lichtes heißt als Dopplereffekt, dass sich die Licht aussendende Quelle und der Beobachter voneinander entfernen, was mit einer Verlängerung der Lichtwellen in das rote Spektrum einhergeht.
Der Autor des Artikels, Prof. Norbert Straumann, fragt: "Weshalb war Einstein so darauf versessen, ein statisches Modell zu konstruieren?" Meine Antwort: für Autisten haben unverstandene Veränderungen etwas Bedrohliches. Obwohl dafür kein sachlicher Anlass bestand, war jedoch der Glaube an ein statisches Universum zu seiner Zeit bis zum Auftreten des belgischen Priesters und Physikprofessors Abbé Georges Lemaître 1927 auch allgemein. Lemaître aber folgerte aus der Expansion den "Urknall" als Schöpfungsakt Gottes, was der katholischen Kirche sehr gefiel. Kosmologen kommen einfach nicht ohne Gott aus.
In "neuester Zeit" hat man zusätzlich "die beschleunigte Expansion des Universums entdeckt", die Einstein "deutlich abgelehnt" hat. Aufgrund der nunmehr gesicherten Rotverschiebung von Galaxienlicht verwarf Einstein jedoch den kosmologischen Term "und blieb dabei für den Rest seines Lebens." Einsteinfreunde dagegen "haben die Diskussion um seine kosmologische Konstante erneut entfacht, die sich zum Problem der "Dunklen Energie" (als Ursache der Beschleunigung) ausgeweitet hat", um Einstein doch noch gerechtfertigt aussehen zu lassen, obwohl er mit ihr ein statisches Universum plausibel machen wollte. Aber eine solche Differenz stört tapfere Einsteinfreunde nicht, wenn evtl. wenigstens sein Begriff gerettet werden kann, obwohl er ihn "meine größte Eselei" genannt hatte.
Das Universum nach Hille
Mit der Einsicht, dass die Welt aus einem Big Bang hervorgegangen sein muss, haben wir in Verbindung mit Newtons Gravitationsgleichung und dem
Erhaltungssatz der Energie als rationale Grundlage dann alle Elemente für die Dynamik des von uns beobachtbaren Kosmos in der Hand, der im Universum vermutlich einer von vielen ist, hervorgegangen aus einer zusammenströmenden Materie. Der im Deutschen verwendete Begriff "Urknall" wäre demnach nur der Urknall unseres Kosmos, aus dem ein durch ihn geordnetes neues Ganzes hervorging, während das Universum selbst zeit- und grenzenlos ist.
Beim Big Bang wurden aller betroffenen Materie zwei Impulse verliehen:
1. die kosmische Fliehkraft vom Ort des Big Bang weg,
2. die gegenteilige Anziehungskraft aller Materie auf alle andere betroffene infolge ihrer Verschränkung durch den Big Bang, weshalb sie ständig zueinander hin strebt.
Der von uns zu beobachtende Kosmos ist das Ergebnis dieser beiden widerstreitenden Urkräfte und ihr getreues Abbild und so der größtmögliche Beweis, den es für eine These je geben kann. So wie die Schwerkraft aller kosmischen Materie nicht verlierbar ist, so bleibt auch ihr Fliehimpuls im Großen erhalten, während Galaxien und Planetensysteme beim gemeinsam "fliehen" durch das Gleichgewicht beider Urkräfte zusammengehalten werden.
Die Schwerewirkung aller Teile aufeinander war sofort nach dem Big Bang am größten, aber eben nicht groß genug, um sie zusammenzuhalten, während mit zunehmender Entfernung untereinander sie sich nach Newtons Gleichung mit dem Quadrat des Abstands verdünnt. Das heißt, die kosmische Fliehkraft setzt sich mehr und mehr durch, so dass wir nicht nur einen expandierenden Kosmos haben, sondern einen, der zwangsweise immer schneller expandiert. Hinzu kommt, dass die Reichweite des Schwerefeldes eines Objekts durch das Plancksche Wirkungsquantum begrenzt ist, d.h. ein Feld kann sich nicht beliebig verdünnen, so dass auch dadurch die Beschleunigung zunimmt. Die Annahme einer Dunklen Energie zur Erklärung der Expansion erübrigt sich!
So haben wir es mit einem Weltbild von großer Einfachheit, Klarheit und Schönheit zu tun, das darin nicht übertroffen werden kann. Entscheidend für meine Sicht des Universums war die Unterscheidung von Kosmos und Universum und die Einsicht, dass die Schwerkraft Folge der Verschränkung aller betroffenen Materie durch den "Urknall" ist. Beides habe ich noch bei keinem anderen Autor gelesen.
Es gibt also nicht nur kein Problem zwischen der Schwerkraft und den Teilchen - ganz im Gegenteil: erst die Quantenphysik macht uns die Schwerkraft und den Kosmos verständlich.
Helmut Hille
Zum Weiterlesen:
Die Sentenzen von 2009 "Gab es einen Urknall?" vom Januar und "Tanz der verschränkten Quanten" vom Juli 2009
ausführlicher auf ZEIT UND SEIN den DPG-Tagungsbeitrag von 2009:
"Kosmologie ohne Scheuklappen"