museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2015
Was ist Gesundheit?
15.07.2015
Das ist gewissermaßen eine Fortsetzung der vorausgehenden Sentenz "Was ist Leben?" Aids, BSE, Bakterienresistenz: Die Selektion der Unangepassteren findet zwar auch auf der Phänoebene also der Ebene Erscheinungen statt, aber auf der bisher viel zu wenig beachteten Ebene der Immunität ereignet sich der Kampf ums Überleben jeden Augenblick, und zwar ganz präzise.
Der "Fittere" ist hier auf Dauer derjenige, der ein besser funktionierendes und breiter angelegtes Immunsystem hat. Nur er kann sich der Fähigkeit des Lebendigen, fremde Strukturen auf deren Kosten bedenkenlos in die eigene zu verwandeln, ausreichend erwehren. Aber wie man heute weiß, kann auch ein unterbeschäftigtes Immunsystem durch Auto-Immunreaktionen gefährlich werden. Wie alles in der Welt und wie im Leben selbst ist nichts statisch.
Daraus ergibt sich eine allgemeine dynamische Definition von "Gesundheit": Gesundheit ist ein Zustand des Individuums, bei dem die de- und konstruktiven Kräfte im Gleichgewicht sind, sowohl die des Körpers, der Seele und des Geistes, als auch dieser drei untereinander.
Zum Gleichgewicht trägt auch die Variation des Erbguts durch die geschlechtliche Fortpflanzung bei, die es dem Körper ermöglicht, sich gegenüber Krankmachern mit kurzer Generationsdauer einen anderweitigen Vorteil zu verschaffen: der drohenden Anverwandlung der eigenen Ressourcen durch Bakterien, Viren und Parasiten mittels Selbstverwandlung durch Neukombination der Gene davonzueilen.
Zusätzlich wird der Körper durch den doppelten Chromosomensatz der Eltern vor rezessiven (verdeckten) Gendefekten eines einzelnen Elternteils geschützt, weshalb die Natur gegen den Inzest ist, der sowohl positive wie auch negative Eigenschaften verstärkt. In einer feindlichen Welt sichern so Individualität verbunden mit genetischem Abstand das Überleben. Von ihnen aus ist auch die große Bedeutung
der persönlichen Liebe zu verstehen, als die Wahl eines Partners mit möglichst gesundem Immunsystem, das vor allem Frauen am sympathischen Geruch erkennen, was sie aber aus dem gleichen Instinkt heraus selber gern wohlriechende Düfte benutzen lässt, um sich nicht zu verraten, weshalb die Nachkommenschaft evtl. doch nicht die gesündeste ist. Ganz allgemein signalisieren Attraktivität und Fitness den Zustand der Gesundheit eines Partners.
Untersuchungen im Tierreich haben gezeigt, dass dies auch objektiv zutrifft: der Vogel mit den glänzenderen Federn und der kräftigeren Stimme ist eben auch der gesündere, was seine genetischen Anlagen betrifft. Artenvielfalt verbunden mit Artenbarrieren aller Art und die Individualität sind die wichtigsten Ergebnisse dieses Kampfes ums Überleben, mit der sich das Leben gegen seine eigene Aggressivität zu schützen versucht. Aber leider haben vor allem Viren, z.B. das Grippevirus, "gelernt", durch immer neue Änderungen ihres Erbguts, Barrieren zu unterlaufen.
Geistige Gesundheit ist die mentale Fähigkeit, mit den Situationen des Lebens in angemessener Weise umgehen zu können. Doch es gilt dabei zu bedenken: geistige "Wahrheiten" sind immer Wahrheiten aus zweiter Hand, weshalb es notwendig ist, immer wieder auf die Wahrheiten des Herzens und der Erfahrung zu hören, um sich nicht von Ideologien überwältigen zu lassen, die in ihrer Hybris schon viel zu viel Unheil über die Welt gebracht haben.
Helmut Hille
Zum Weiterlesen:
WEGE DES DENKENS
III. Die Hervorbringung des Menschlichen
III/2 "Die Genese des Lebens und des Wissens"