museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2016

Das Ingenium

15.04.2016

Das Ingenium bezeichnet lt. DUDEN "schöpferische Begabung; Genie" und ist das nicht Erlernbare, das auf seine Entfaltung wartet. Es ist ein Geschenk der Natur, das den Menschen den Aufstieg zu einem Kulturwesen ermöglicht hat. Jeder muss etwas von diesem Ingenium in sich tragen, will er die Wechselfälle des Alltags meistern und ihnen nicht ausgeliefert sein. In dieser Form ist es uns etwas Selbstverständliches. Auffällig wird es erst, wenn Menschen zu nicht alltäglichen geistigen Leistungen fähig sind, sei es in der Kunst, der Wissenschaft aber auch in der Öffentlichkeit. Die größten Ingeniien sehe ich bei den Komponisten, die oft schon in sehr jungen Jahren ihre Begabung zeigen, die dann nur noch geschult werden muss, um sich mitteilen zu können. Mozart war ein solches Genie. Er schrieb seine Werke nieder, ohne sich einmal korrigieren zu müssen. Sie lagen einfach vor ihm. Das zeigt die Macht des Unbewussten, die den Menschen steuert, was ihn in solchen  überbordenden Situationen andererseits im Alltag aber auch mehr oder weniger unbeholfen machen kann.

Generell jedoch ist das Bewusstsein das Korrektivorgan des Unbewussten und beides sind wir selbst. Dem Genie und seinem Bewunderer erscheinen die Werke oft als "höhere Eingebungen", da ihre Entstehung eigentlich unerklärlich ist. Gott ist da die Metapher für das Unerklärliche.

Musik und Mathematik haben ihre eigene Logik, die angeboren ist, weshalb sie sich schon im frühkindlichen Alter zeigen kann. Letztlich ist die schöpferische Begabung von Menschen Teil der Schöpferkraft der Natur mit ihrer unendlichen Hervorbringungen auf allen Gebieten. Aber es müssen eben auch glückliche Umstände hinzu kommen, dass sie sich zeigen kann. Das größte Schöpferpotential ist dabei durch Emergenz gegeben, bei der Verbindung unterschiedlicher Komponenten zu einer neuen Einheit, sei es bei den Atomen, den Molekülen, den Genen oder kulturellen Faktoren. Alle Anfänge liegen im Dunklen, da sie nicht abgeleitet werden können. Es entsteht dabei einfach etwas Neues, was vorher nicht da war. Das gilt es zu respektieren.

Neben den Komponisten sind es vor allen Dichter, Baumeister und Ingenieure, die Werke "für die Ewigkeit" schaffen. Aber auch Philosophen, z.B. besonders in der Zeit um ca. 500 vor Christi.  Laotse in China, Heraklit und Parmenides in Griechenland trugen neben indischen Denkern dazu bei, dass menschliches Denken weltweit eine höhere Stufe der Bewusstheit erlangte, hinter die wir heute nicht zurückfallen sollten. Laotse: "Andere erkennen ist klug, sich selber erkennen ist weise."

Ich habe mir meine Texte nicht mühsam erarbeitet. Es war mir einfach ein Bedürfnis, sie zu schreiben und vorzutragen, auch wenn bei vielen Studium Voraussetzung war. Es begann mit dem Gedicht "Ode an den Spätsommer", das ich als junger Mann einfach so niederschrieb (L1). Auch die gereimten Kabarett-Texte, die ich um die dreißig schrieb, machten mir keine Mühe (L17). Und später ist mein "Posthumer Brief an Albert Einstein" (I/B8a) mir am Morgen des 15. Mai 2006 wohl aus innerer Verbundenheit mit ihm völlig ungeplant einfach so in einem Stück aus der Seele geflossen, ohne das ich danach am Brief etwas ändern musste.

Einstein wurde auf seine Weise auch von seinem Ingenium geleitet, aber er war als Autist nicht in der Lage seine Aussagen zu reflektieren und sich mit Kritik sachlich auseinanderzusetzen, Einstein: "Ich vertraue auf Intuition". Er empfand seine Überzeugungen als "Standpunkte Gottes". Er wusste einfach nicht, warum er sie hatte.

Ebenfalls ist mein Titel "Das Ingenium" ein Fall von Emergenz. Er fiel mir am Seniorennachmittag des 3. Februar 2016 im Heilbronner Konzert- und Kongresszentrum "Harmonie" unvermittelt ein. Vielleicht spielte da die Erinnerung an die Kesslerzwilinge am selben Ort eine Rolle, die zu der Sentenz vom Juli 2009 "Tanz der verschränkten Quanten" geführt hatte. Zuhause musste ich erst im DUDEN nachschlagen, ob es das Wort überhaupt gibt. Aber es hat ja auch etwas mit meiner Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu tun, weshalb es nicht ganz falsch sein konnte. Doch in den von mir zusätzlich zu Rate gezogenen Philosophischen Wörterbüchern findet es sich nicht, wie vorher schon der grundlegende Begriff des Selbstverständlichen. Und ich selbst hatte das Wort meines Wissens vorher auch noch nie gebraucht. So war es wohl an der Zeit, dass es unvermittelt auftauchend in mein Bewusstsein trat und ich, dem Impuls folgend, es bedenken wollte.

Zum Weiterlesen:

ZEIT UND SEIN
Erhellungen von Helmut Hille

Texte in Versform
[6] Intuition will bedacht sein - Parmenides weist den Weg

anschließend der Text [7] Emergenz contra Reduktionismus

http://www.helmut-hille-philosophie.de/intuition.html

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