museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2016
Der Stoiker Epiktet
15.09.2016
Aus dem griechischen Anatolien stammend, war Epiktet (ca. 50 -138) ein römischer Sklave, der später frei gelassen wurde. Er muss bereits zu den Philosophen gezählt worden sein, als er bei der Philosophenverfolgung durch Domitian (51-96) um 90 aus Rom vertrieben wurde. Er flüchtete nach Nikopolis in Epirus, der nordwestlichen Provinz Griechenlands gegenüber Korfu. Von Seneca beeinflusst gründete er dort eine Philosophenschule. "Er lehrte als Stoiker: Das erste in der Philosophie ist unterscheiden lernen, was in unserer Gewalt steht und was nicht. Nicht in unserer Gewalt steht: alles Äußere, das Leibliche, Besitz, Ansehen. Nicht diese Dinge selbst, sondern nur unsere Vorstellung darüber machen uns glücklich oder unglücklich; unser Denken und Begehren aber, und somit unser Glück, steht in unserer Gewalt." Er lehrte den politisch entmachteten und weitgehend rechtlosen Massen des spätrömischen Imperialismus einen Rückzug auf die Innerlichkeit. In dieser Beschränkung liegt der Schlüssel für ein Leben in "stoischem Gleichmut".
Was wir heute über die Lehre Epiktet wissen, verdanken wir den Aufzeichnungen seines Schülers Arrian, den "Unterredungen", woraus als Auszug davon z.B. das "Handbüchlein der Moral und Unterredungen" hervorging, erschienen im Kröner Verlag Stuttgart (11. Auflage 1984). Ich denke, Epiktets Gedanken über das, was in unsrer Gewalt steht und was nicht, sind auch heute noch - und werden es wohl immer sein -, Anleitungen für ein geordnetes Leben mit dem Glück der Innerlichkeit. Für dieses habe ich auch in einigen hier erschienenen Sentenzen geworben. So heißt es in der Sentenz vom Januar 2012 "Alles ist ein Leben": "Es ist an der Zeit, für eine andere Lebensqualität zu werben. Nicht mehr die Anhäufung materieller Güter und die Befriedigung immer neuer Egotrips darf das Ziel sein, sondern - bei einer Grundversorgung mit allen überlebenswichtigen Gütern - das Erschließen der Innerlichkeit, um so die Fülle des Seins zu erfassen."
Ganz ähnlich in der Sentenz vom Februar 2014 "Meister Eckhart und das Sein an sich", wo es zum Schluss heißt: "Zugleich möchte ich mit ihnen den rastlosen modernen Menschen eine Ahnung davon vermitteln, wie Sinn gebend und Sinn erfüllend ein Leben sein kann, das um Seinserfahrung ringt und dabei die Kraft und das Glück einer in sich ruhenden Innerlichkeit erfährt, die sich der ringsum angebotenen Zerstreuung entzieht."
Epiktet geht es um die Sinnfrage des Lebens, die gar nicht ernst genug genommen werden kann. So heißt es gleich in Kapitel 1 des Handbüchleins: "Wenn du so Großes erstrebst, bedenke: es reicht nicht, in flüchtigem Interesse die Hand danach auszustrecken. Du muss manches für immer lassen, manches für den Augenblick. Wenn du aber daneben auch noch Ehrenstellen und Reichtümer jagst, so wirst du vielleicht, weil du zugleich jenes erstrebst, nicht einmal diese erlangen. Sicher wirst du das verfehlen, wodurch allein Glück und innere Freiheit kommen. – Gewöhne dich nun, bei allem, was bedrohlich wirkt, zu (ihm zu) sagen: du bist nicht das, was du scheinst, sondern nur eine Vorstellung. Sodann prüfe es an den Regeln, die du gelernt hast, besonders an der ersten, indem du fragst: gehört es zu dem, was in meiner Gewalt steht, oder nicht? Und gehört es zu dem, was nicht in deiner Gewalt steht, so sage zu dir selber: es geht mich nichts an!"
Entnommen dem "Handbüchlein der Moral und Unterredungen" sowie zwei Philosophischen Wörterbüchern. Ich hoffe, ich kann demnächst hier mit weiteren bedenkenswerten Zitaten von zeitloser Gültigkeit aus dem Handbüchlein aufwarten.
Helmut Hille
Zum Weiterlesen:
ZEIT UND SEIN
Erhellungen von Helmut Hille
Texte in Versform
[9] Hat das Dasein einen Sinn?