museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2017

Warum Menschen glauben und nach Sinn suchen

15.06.2017

Hier sei zuerst an Kants berühmten Satz erinnert "Die Vernunft stellt mehr Fragen, als sie nach ihrer Natur beantworten kann." Vorausgesetzt ist, dass es sich um vernünftige Fragen handelt, denn es ist ja die Vernunft, welche fragt. Und was macht der Mensch mit Fragen, die ihn bewegen, die er sich aber nicht beantworten kann: er glaubt, er glaubt an plausible Antworten, die seinem Wissensstand und seinem Interesse dienen. Also nicht an beliebige Antworten, die für ihn wenig bis keine Bedeutung haben. Damit ist eine, wenn nicht gar die Grenze überhaupt noch vernünftigen Glaubens aufgezeigt. Denn "wahr" ist, was sich bewährt!

Um sich ein Bild von der Welt zu machen und seinen Ort darin zu finden, geht es vor allem um die Frage nach dem Ursprung der Welt und nach der Art der schöpferischen Kraft, welche die Natur regiert, die bis heute selbst bei Naturwissenschaftlern zumeist mit "Gott" beantwortet wird. Lassen wir zuerst einmal die Frage nach der Natur Gottes außen vor, so ist dies eine rational nachvollziehbare Antwort, denn von Nichts kommt nichts. Die Ratio verlangt, dass es für das Sein ein unerschaffenes und ewig Existierendes geben muss. Das ist also gerade kein Glaube, und es war von der Kirche konsequent für den Big Bang der Physiker Gott als Schöpfer zu sehen.

Der Fehler liegt hier bei den Physikern, bei ihrem notorisch schlechten Sprachgebrauch, welche den von uns bewohnten und beobachtbaren Kosmos als "Universum", also als das All-Eine bezeichnen. Oder genau so schlecht, wenn auch schon etwas fortschrittlicher ist, wenn sie von "Multiversen" reden, was ein Widerspruch in sich ist, denn es kann nur ein All-Eines geben! Haben wir dieses wirklich All-Eine akzeptiert, dann ist die Gottesfrage nach dem Ursprung unserer Welt, nämlich unseres Kosmos beantwortet, denn das Universum ist das ewig Existierende. Aber wie bisher schon Gott nicht hinterfragbar war, so gilt es auch, das Universum ohne Wenn und Aber zu akzeptieren. Die Frage nach seiner Herkunft oder seinem Ziel ist unvernünftig, denn dann wäre das Sein

nicht mehr ursprünglich. Es ist einfach da! Und das ist kein Glaube sondern Fakt. Für das Schöpferische in der Welt hat die englische Metaphysik den Begriff der "Emergenz" geprägt. Emergenz ist durchgehend: Emergenz bezeichnet das "Auftauchen" vorher nicht vorhandener Eigenschaften bei der Verbindung oder dem Auseinanderfall qualitativ unterschiedlicher Komponenten. So wie Kernbausteine und Elektronen sich zumeist dauerhaft zu Atomen verbinden, so wie die Verbindung von Sauer- und Wasserstoff Wasser ergibt, so wie die Verschmelzung elterlicher Gene ein von ihnen verschiedenes Lebewesen wachsen lässt, so machen die kognitiven Strukturen des Gehirns aus objektiven Daten Informationen, und schaffen so auch hier eine neue Qualität, die wir die geistige nennen.

Kommen wir noch zu der Menschen immer wieder bewegenden Sinnfrage, nicht nur nach dem Sinn des Handeln und Schaffens, wo sie zu stellen ja vernünftig ist, sondern nach der des Lebens oder gar der Welt. Weil eben die Ratio vernünftigerweise immer Begründungen sucht, so fragt sie auch nach welchen in diesen Fällen. Aber wir sollten uns da nicht beirren lassen. Wie die Existenz des Universums weder Gründe braucht noch logisch verträgt, so ist auch das Leben zuerst einmal da. Aber nicht die Individuen, nicht einmal Spezies sind das sich zeitlich Durchhaltende, sondern die spezielle Organisation von Materie ist es, niedergelegt in den Genen jeder Zelle. Aufgabe der Individuen ist dabei, diese Gene an die nächste Generation weiterzugeben, also für Nachwuchs zu sorgen. Das ist der biologische Sinn des Lebens. Aber geistig müssen wir uns selber einen Sinn geben, denn der Geist ist nur im Menschen zuhause.

Helmut Hille

Zum Weiterlesen:
WEGE DES DENKENS

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