museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2017

Das Janusgesicht der Determination

15.02.2017

"Wer immer etwas hinter die Dinge zu sehen versucht, sieht am Ende die Dinge selber nicht mehr". (Augustinus, 354 – 430) – Hat sie vielleicht auch noch nie richtig gesehen.

Ganz am Anfang der Menschheitsgeschichte, als man noch der Natur ausgeliefert war, sah man, schon nach Ursachen suchend, für das Naturgeschehen in Analogie zum Lebendigen unsichtbare lebendige Wesen am Werke, vornehmlich Götter, die man durch Opfer und Gebete gnädig zu stimmen versuchte. Da das nur selten gelang, begannen in der Antike kluge Köpfe darüber nachzudenken, ob da nicht stattdessen irgendwelche unbestechlichen Naturgesetze walten oder ob es gar die Eigenschaften der Dinge selber sind, die ihr Verhalten bedingen. Es entstand die Frage nach der Determination des Geschehens, wobei offen blieb, ob die Determination von der Natur der Dinge abhängt, ihnen also immanent ist, oder ob da irgendwelche Naturgesetze walten, welche die Dinge lenken, ähnlich wie zuvor die Götter, doch eben unbestechlich.

Wir können das Bemühen um die Klärung dieser Frage am besten am Begriff der Trägheit verfolgen. Ein Körper ist träge, wenn er Änderungsversuchen seiner Lage Widerstand entgegensetzt, je mehr Materie er hat, umso mehr. In Newtons Principia heißt es 1697 dazu in Definition III: "Die der Materie eingepflanzte Kraft ist die Fähigkeit Widerstand zu leisten, durch die jeder Körper von sich aus in seinem Zustand der Ruhe oder in dem der gleichförmig-geradlinigen Bewegung verharrt." Newton sagte vorsichtshalber zwar, dass die Trägheit der Materie eingepflanzt wäre, doch wohl von Gott, dass aber danach jeder Körper von sich aus in seinem Zustand zu beharren versucht. Wegen dieser Auffassung von Immanenz wurde Newton (1643 – 1727) von Leibniz (1646 – 1716) am englischen Königshof der Gottlosigkeit bezichtigt, was ein schwerer Vorwurf war, noch dazu, da der englische König das Oberhaupt der anglikanischen Kirche ist.

Aber auch bei den Materialisten hatte und hat die Immanenz kaum Freunde, wohl weil sie auf die Verantwortung des Menschen für sein Reden und Tun hinausläuft, was jedoch niemand will und offen sagt. Der Physiker und Theoretiker Ernst Mach stellte freihand die Behauptung auf, dass die Trägheit den Körpern "von fernen Fixsternmassen" verliehen würde (Machsches Prinzip) – die Dinge vor Ort täten also nur so, als ob sie träge wären –  also alles nur Theater?

Im Standardmodell der Teilchen kommt die Masse erst gar nicht vor. Aber wegen ihrer Unverzichtbarkeit für Wechselwirkungen wurde von Peter Higgs ein Feld ersonnen, das an Stelle der Eigenträgheit für den Widerstand der Teilchen sorgen würde - die Masse als das Maß der Trägheit ein Teilchen! Absurd!

In der Welt größten Maschine am CERN hat man daher jahrelang versucht, aus diesem Feld Funken zu schlagen, um den "Beweis" für das Higgsfeld zu haben. Aber was in den Beschleunigern durch Einsatz riesiger Energien und deren Umwandlung erzeugt wird, kommt generell in der Natur gar nicht vor, weshalb diese Kunstnatur ein eigenes Forschungsgebiet ist, das wenig bis nichts über die  wirkliche Natur beweist. Der US-Physiker Weinberg (* 1933) dazu: "Fast alle Teilchen, deren Felder im modernen Standardmodell der Teilchen und Wechselwirkungen auftreten, zerfallen so schnell, dass sie in gewöhnlicher Materie nicht vorkommen und im Leben der Menschen keine Rolle spielen", weshalb wir uns trotz des Nobelpreises für die Theorie nicht beeindrucken lassen sollten.

Auch zeigte sich hier das Janusgesicht von Determination: weil das Higgsfeld die Teilchen steuern würde, wird das mühsam herausgeschlagene Higgsboson auch "Gottesteilchen" genannt. Und auch Machs den Körpern Mächtigkeit verleihende "ferne Fixsternmassen" waren so etwas wie ein Gottesersatz, ohne den in der unbelebten Natur nichts geschehen würde. Ich denke einer demokratisch verfassten Gesellschaft sind solche für mich überflüssigen und feigen Theorien nicht hinnehmbar, sind sie doch eine Flucht aus der Realität und vor der Verantwortung des Menschen. Gerade in der Situation in der die globale Menschheit heute steht, kommt es darauf an, dass jeder die Dinge so sieht, wie sie sind und alle sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten bewusst sind und danach handeln.

Helmut Hille

Zum Weiterlesen:
WEGE DES DENKENS
III. Die Hervorbringung des Menschlichen
(III/9) Grundlagen einer holistischen Ethik

http://www.helmut-hille.de/ethik.html

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