museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2017

Zeit und Uhr

15.10.2017

"Wer an die heutige PTB denkt, dem fällt als erstes gewiss die "Zeit" ein, deren Geheimnis zwar auch die Physiker nicht aufdecken können, die sich aber so genau messen lässt wie nichts anderes in der Welt." (Pressemitteilung zum 125-jährigen Bestehen der Physikalisch- Technischen Bundesanstalt vom 28. März 2012)

Das Maß der Dauer
Wie wir wissen, ist ein weitgehend zuverlässiges Maß von Dauer die Dauer des Tages. Internationale Einheit der Dauer ist die Sekunde, als der 86.400 Teil eines mittleren Sonnentages. Für wissenschaftliche Zwecke werden jedoch Atomuhren genutzt. Differenzen zwischen der Internationalen Atomzeit IAT, die durch Mittelung aus einer Anzahl internationaler Atomuhren festgelegt wird, und der aus astronomischer Beobachtung gewonnen Weltzeit UT (universal time), die nach Korrekturen infolge von Polbewegungen der Erde als UT1 bezeichnet wird, werden halbjährlich durch Schaltsekunden ausgeglichen. Aus dem Vergleich von IAT und UT1 wird nach internationaler Vereinbarung die Koordinierte Weltzeit UTC festgelegt, die Normzeit und Zeiterleben im Einklang hält.

Die Uhr
Analoge, d.h. kontinuierlich gehende Uhren stellen nur den Sonnengang als Spiegel der kontinuierlichen Erddrehung nach. Im "Uhrzeigersinn" heißt: wie der Gang der Sonne von links (Osten) nach rechts (Westen) auf der Nordhalbkugel erlebt wird, so dass man bei Sonnenschein anhand des Stundenzeigers die Himmelsrichtungen ablesen kann, mit 12 Uhr (ohne Sommerzeit) = Süden*. Für das 12-Stunden-Zifferblatt ist 3 Uhr Südwesten, 6 Uhr = Westen. Bei digitalen Uhren dagegen springt die Zeitanzeige von Sekunde zu Sekunde ohne jede weitere Bedeutung. Uhren geben Zeitpunkte - das ist alles, was man über den Sinn von Uhren wissen muss und wissen kann! Was gibt es daran nicht zu verstehen?
*dabei analog zur Erde sich kontinuierlich = gleichmäßig über ein Ziffernblatt mit gleichmäßig verteilten Ziffern und/oder Punkten bewegend, den Zeitpunkten eben, anhand derer wir die Uhrzeit = den Stand der Sonne benennen können.

Der Maßstab
Die Zeit ist also ein Maßstab, nämlich der der Dauer, und ihre Bestimmungsstücke, wie Sekunde, Minute, Stunde, mittlerer Sonnentag und Jahr, sind - wie alle anderen Maßeinheiten - durch internationale Konventionen bestimmt. Alles Messen ist ein Vergleichen! Die Messung einer Dauer ist als Kognitionsmuster das Vergleichen einer unbekannten Dauer eines Zustands oder Ereignisses mit der durch Uhren bekannten Dauer des Tages und seiner Teile und Vielfache, wodurch die unbekannte Dauer, wie bei jeder

anderen Messung auch, uns bekannt wird. Schon Newtons Definition der "relativen Zeit", also der für Relationen, d.h. für Messungen benutzten Zeit, als "ein beliebiges sinnlich wahrnehmbares und äußerliches Maß der Dauer, aus der Bewegung gewonnen" war von tiefer Einsicht in das Wesen der Zeit als Maß und Kognitionsmuster geprägt. Es kann also keine Rede davon sein, dass sich die Zeit "messen lässt", wie man in der PTB noch immer glaubt, denn sie ist der Maßstab des Messens (von Dauer) und muss definiert werden. Normgrößen sind keine Frage der Wahrheit sondern der Geltung. Wie will man denn ohne zuvor definierte Messgrößen irgendetwas messen? Messen ist ein geistiger Akt mit geistig gesetzten Größen, der ein quantitatives Wissen vermittelt. Instrumente messen nicht – sie zeigen nur an!

Die Weltzeit
Auf der Washingtoner Meridiankonferenz von 1884 einigte man sich auf den Meridian (Längenkreis) durch Greenwich als Nullmeridian und auf die Greenwich Mean Time (GMT) als erste allgemein gültige Weltzeit. Die GMT ist die durch astronomische Messungen bestimmte mittlere Ortszeit des durch die Sternwarte von Greenwich führenden Meridians. 1928 wurde diese in Universal Time (UT) umbenannt. Seit 1972 verwendet man als Weltzeit die durch Atomuhren dargestellte Koordinierte Weltzeit (UTC) (Wikipedia). Diese Weltzeit, in Zeitzonen gegliedert, gilt überall auf der Welt, ebenso für Astronauten im Orbit und darüber hinaus. Und wenn eine Uhr vom Zeitnormal abweicht, geht sie schlicht falsch und sonst gar nichts. Das gilt sinngemäß für alle international vereinbarten Messgrößen wie z.B. auch Länge (Meter) und Trägheit (Masse).

Der Ursprung des Zeitbegriffs
Der Ursprung des Zeitbegriffs ist das Erinnerungsvermögen, das abfolgende Ereignisse in Zusammenhang bringt. Ohne Erinnerungen gäbe es nur unverbundene Momentaneindrücke! Wir wüssten nichts von Sprache und Melodien, wüssten nichts von Bewegung und Zeit und hätten kein Wiedererkennen und kein Wissen. Zeitliches als zeitlich empfunden gibt es nur im Gedächtnis von Lebewesen, also auch bei uns Menschen einzig in unserem Hirn. Und weil wir eben ein großes Hirn haben, haben wir uns Hilfsmittel ersonnen, um für uns Wichtiges messen, also quantitativ bestimmen zu können. Was gibt es daran nicht zu verstehen?

Helmut Hille

Zum Weiterlesen:
ZEIT UND SEIN
Tagungsbeiträge
(1) Ist die Zeit messbar?  (einer meiner DPG-Vorträge von 2005 zum Einsteinjahr)

http://www.helmut-hille-philosophie.de/t-zeit.html

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