museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2017
Am Boden des Luftmeeres
15.11.2017
"Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: / Die Luft einziehen, sich ihrer entladen; / Jenes bedrängt, dieses erfrischt; / So wunderbar ist das Leben gemischt. / Du danke Gott, wenn er dich preßt, / Und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt." (Goethe, WEST-ÖSTLICHER DIVAN, Buch des Sängers)
Wir leben in und von der Luft am Boden des bis 17 km hohen Luftmeeres. Werden wir von der Luft und deren Sauerstoff abgeschnitten, müssen wir sterben. Luft ist nicht nur geruchs- und geschmacklos, sondern auch unsichtbar, so dass sie nach den naiven Kriterien des Realen gar nicht existieren würde. Doch Vögel, Insekten, Samen und Keime wissen sie zu nutzen. Trotzdem bedurfte es der Überzeugungsarbeit von Wissenschaftlern, insbesondre eines Otto von Guericke (1602 – 1686) aus Magdeburg, dass es die Erdatmosphäre gibt. Als Beweis ließ er 1656 zwei 46 cm große Halbkugeln fertigen, die er luftdicht verband und aus denen er mit der von ihm erfundenen Kolbenpumpe die Luft absaugte. Selbst mit zwei Gespannen von je 15 Pferden ließen sich die Kugeln nicht trennen, weil die Luftsäule auf ihnen lastete. Also nicht das erzeugte Vakuum, also das Nichts, sondern die Luftsäule übte die Kraft aus, welche die Kugeln zusammenhielt. Zugleich widerlegte er damit eindrucksvoll die seit der Antike von berühmten Philosophen vertretene Auffassung, dass die Natur aus Angst vor dem Nichts (Horror Vacui) keine Leere duldet. Physikgeschichte ist auch immer zugleich ein Teil der Geistesgeschichte und bedarf mutiger Denker. Die Fakten folgen den Ideen.
Der Österreicher Ernst Mach (1838 – 1916) hat in seiner sensualistischen Erkenntnistheorie, die den Augenschein für besonders objektiv hält, die Existenz von Atomen bestritten, weil man sie nicht sieht. Also dürfte es auch keine Luft geben. Aber es gibt den Wind, den wir spüren und ggf. auch hören und den Schall den die Luft überträgt. Die Schallgeschwindigkeit beträgt in trockener Luft von 20°C 343,2 m/s. Und für ein Objekt wie ein Flugzeug, das die Schallgeschwindigkeit erreicht, so dass die Luft vor ihm nicht mehr ausweichen kann und sich verdichtet, wird die Luft zu einer Mauer, deren Durchbruch sich mit einem lauten Knall bemerkbar macht. Und das auf der ganzen Strecke, die das Flugzeug mit Überschall-geschwindigkeit fliegt.
Ironie des Schicksals: ausgerechnet nach dem Sensualisten Ernst Mach ist die Schallgeschwindigkeit benannt, weil er als Physiker z.B. das Verhalten der Luft vor fliegenden Projektilen untersucht hatte. 1 Mach beträgt 1236 km/h, 2 Mach also 2472 km/h usw.
Die Luft besteht aus Gasen mit der Tendenz, sich zu vermischen, so dass Luftmoleküle aus ca. 78% Stickstoff, aus ca. 21% Sauerstoff und einige anderen Komponenten bestehen. Zusätzlich enthält Luft noch Wasserdampf, Staub und weiteren Teilchen, z. B. Pollen und Sporen. Beim Einatmen nehmen wir mit der Luft Sauerstoff auf, der durch seine Oxidation im Körper die Verbrennungsenergie freisetzt, die unsere Zellen zum Arbeiten brauchen. Eigentlich ist Sauerstoff ein Gift, das erst durch die Fotosynthese der Pflanzen als Abfallprodukt in die Atmosphäre gelangte. Aber nach und nach wussten Lebewesen diesen energiegeladenen Stoff zu nutzen, indem sie gleichzeitig Abwehrmechanismen gegen seine Aggression erfanden, z.B. durch Verdünnung des Sauerstoffanteils im Körper. Bekannt sind die freien Radikalen, vagabundierende Sauerstoffmoleküle, die Krebs verursachen können.
Wir hängen am Schlauch des Luftmeeres - und das wörtlich! Die Luftröhre ist unser Schlauch, durch den bei einem Erwachsenen täglich durchschnittlich 10.000 l Luft strömen. Die Luft, die wir ausatmen und dabei Kohlenstoffdioxid abgeben, atmen wir selbst und andere wieder ein. Solange es genügend Pflanzen gibt, die durch Sauerstoffproduktion am Land und im Wasser für ausreichend Sauerstoff sorgen, bleibt die Erde bewohnbar. Das ist eine der nicht ersetzbaren Faktoren, auf die wir achten müssen, wenn wir als Menschheit hier oder auf anderen Planeten überleben wollen. (Alle Daten Wikipedia)
Helmut Hille
Zum Weiterlesen:
WEGE DES DENKENS
L. Literarisches u.a.
Auf (L9a): Solange die Erde sich dreht…