museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2003

Ernst ist das Leben, heiter die Kunst (Schiller)

15.06.2003

Nur die Kunst? Oder das Wetter? Wünschen wir uns nicht Heiterkeit überhaupt, die uns durch das Leben trägt? Ich denke, die Heiterkeit des Gemüts ist ganz ursprünglich, wie wir das an den Kindern erleben, wenn sie nur einigermaßen geborgen aufwachsen können. Der Ernst des Lebens beginnt erst später. Bei einigen, wenn sie in die Schule kommen, bei den meisten, wenn sie aus ihr "in das Leben" entlassen werden. Laotse sagte: "Wer das Leben nicht ernst nimmt, dem wird es seinen fürchterlichen Ernst zeigen."

Ganz ähnlich Clemenceau: "Wenn man die Sachen nicht ernst nimmt, können sie, das weiß man nie vorher, ernst werden." Aber das wünschen wir uns doch: Das Leben ernst nehmen, ja, – aber nicht der Sklave seiner Verhältnisse sein wollen. Bei allem Sorgen um den Lebensunterhalt immer etwas darüber stehen können. Zu wissen, dass es da noch eine andere Welt gibt als die der Pflicht.

Die Kunst zum Beispiel, die uns etwas in sich Stimmiges erleben lässt. Dichtung und Philosophie, wenn sie denn unseren Sinn erhellen. Und immer wissend, dass wir in einem Größeren geborgen sind, auch wenn wir es nur ahnen können. Vermittelt uns Goethes Maxime: "Das Erforschliche erforscht, das Unerforschliche ruhig zu verehren." nicht Gelassenheit auch geistigen Problemen gegenüber?

Ist es nicht zutiefst menschlich, seine Grenzen zu erkennen, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen?Zu sehen, dass die Realität sowieso alle Denkbarkeit übersteigt? Wer sich in Probleme verbohrt, geht am Leben vorbei. Aber seine Pflichten ernst zu nehmen, um zu vermeiden, dass einem das Leben seinen fürchterlichen Ernst zeigt, ohne sich von ihnen aufzehren zu lassen, den eigenen begrenzten geistigen Horizont und den der anderen gelassen zu ertragen – das ist Lebenskunst, die uns im Heiteren erhält.

Der Stoiker Epiktet (1. Jhdt. nach Chr.) lehrte es so: Die Dinge, die in unserer Gewalt stehen zu ergreifen und zu gestalten, und um die Dinge, die nicht in unserer Gewalt stehen, nämlich "alles was nicht von uns selber kommt", sich nicht zu besorgen. So bleibt man frei von Enttäuschung und Verbitterung. Plinius (der Jüngere?), ein Zeitgenosse des Epiktet, schrieb dazu: "Man handelt, wie ich glaube, am schönsten und natürlichsten, wenn man im wissenschaftlichen wie im gewöhnlichen Leben Ernst und Heiterkeit miteinander verbindet, damit jener nicht in Trübsinn, diese nicht in Mutwillen ausarte."   

 

Zum Weiterlesen:


Epiktet, Handbüchlein der Moral und Unterredungen, Alfred Kröner Verlag Stuttgart
Helmut Hille: Hat das Dasein einen Sinn?
auf  

http://www.helmut-hille-philosophie.de/sinn.html

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