museumsart Kolumne
Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2003
Über das Selbst-Verständliche II
15.10.2003
In seinem Lehrgedicht lässt Parmenides eine namenlose Göttin – für mich die höchste, auf Kriterien gründende Vernunft –, als oberstes unbezweifelbares Prinzip verkünden, dass "Seiendes ist", dass Sein also weder entstehen noch vergehen, sondern sich einzig wandeln kann.
Heutige Kosmologen mit ihrer These, dass das Universum beim Urknall entstanden wäre, verstoßen nicht nur gegen das von Parmenides (ca. 540-480) ausführlich dargelegte oberste Prinzip, sondern auch gegen den ihm entsprechenden höchsten Grund-Satz der Physik, den Satz von der Erhaltung der Energie, der auch selbst-verständlich ist. Nur der Nichterhalt bedürfte einer Erklärung. Also muss die Annahme, dass das Universum beim Urknall "entstanden" wäre, falsch sein, kann sie doch nicht vor dem Forum der Vernunft bestehen.
Dagegen macht die Unterscheidung von Universum und Kosmos als die Unterscheidung zwischen dem All-Einen und einer begrenzten Ordnung von Materie, und die Annahme, dass der sog. "Urknall" nur das Durchgangsstadium unseres, von ihm geprägten Kosmos ist, neben dem es noch unzählige andere gibt, die ihre eigene Geschichte haben, weder logische noch physikalische Probleme. Diese Annahme erübrigt alle geistig sowieso nicht nachvollziehbaren Hypothesen über die Entstehung der Welt aus dem Nichts, die auch durch Gottes Hilfe nicht verständlicher wird.
Mit dieser undogmatischen Sicht haben nur jene Probleme, die immer nicht glauben wollen, dass hinterm Berg auch noch Leute wohnen und die Welt nicht am Horizont endet, weil dies ja nicht ihrer Erfahrung entspricht, da ja immer wieder ein weiterer Berg sich zeigt und der Horizont mit jeden mitwandert – den dogmatischen Positivisten, die sich ängstlich weigern, über ihre Grenzen hinaus zu denken. Oder jene, welche auf die lieb gewordene Vorstellung von einem allzumenschlichen Schöpfergott nicht verzichten wollen, statt die richtig erkannten göttliche Eigenschaften des Unerschaffenseins und des Schöpferischen bei den Dingen selbst zu belassen, wodurch ihre Existenz selbst-verständlich wird und keiner weiteren Erklärung, sondern nur unserer Akzeptanz bedarf.
In diesen und anderen Fällen gilt es, einfach der Vernunft zu folgen, wollen wir uns nicht zum Narren machen. In bezug auf das Universum lautet meine, für mich selbst-verständliche Überzeugung, dass es ohne Grenzen in Raum und Zeit ist. Denn was sollte ihm Grenzen setzen? Nur unsere eigene zeitliche Begrenztheit lässt uns überall Grenzen suchen, vielleicht in der Hoffnung, an ihnen Halt zu finden. Das Verhältnis von Universum und Kosmen sehe ich so: Die Kosmen kommen und gehen, aber das Universum, die Energie bleibt.
Zum Weiterlesen:
"Was war vor dem Urknall? Der mühsame Weg zur richtigen Frage" auf