museumsart Kolumne

Helmut Hille
Philosophische Sentenzen 2004

Hat alles einen Anfang?

15.01.2004

Die menschliche Erfahrung ist, dass alles einen Anfang und ein Ende hat, nicht zuletzt der Mensch selbst. Dem hat der Mensch die Idee eines ewigen und unerschaffenen aber schaffenden Gottes entgegengesetzt, der für alles Endliche verantwortlich wäre. Über diese Idee kann nun unendlich gestritten werden: Ist Gott eine Persönlichkeit, eine Art Übermensch, mit dem man von Person zu Person sprechen kann, oder ist er eine unpersönliche ewige Kraft? Hat Gott die Welt aus freiem Willen heraus geschaffen und sie sich dann selbst überlassen, oder lenkt er alles Geschehen noch immer selbst? Über allen Streit hinaus bleibt jedoch festzustellen, welches die Wahrheit des Gottesgedankens ist, weshalb man ihn nicht so einfach abtun kann:

1. Es muss ein ewig Unerschaffenes geben, denn die Entstehung der Welt aus dem Nichts ist geistig nicht nachvollziehbar;
2. Es muss permanent schöpferische Kräfte geben, die alle Dinge am Wandel erhalten, was offensichtlich ist. Legt man seine dualistische Denkweise ab, die Gott und Welt getrennt sieht, dann verschwinden die genannten Probleme. Die Welt ist dann selbst das ewig Existierende und im Wandel Befindliche. Einer solch aufgewerteten, gewissermaßen "geheiligten" Welt bedürfen wir mehr als aller oft viel zu menschlichen, Streit verursachenden Gottesbilder, denn nur wenn wir der irdischen Welt mit Respekt und Liebe begegnen, können wir die Existenzgrundlage des Lebens erhalten.

Wenn wir sie wie bisher nur als eine endliche, zum Verbrauch bestimmte Ressource ansehen, dann werden wir sie auch verbrauchen. Wir müssen uns nur umsehen, wie weit die Menschheit damit schon gekommen ist. Darum ist es an der Zeit umzukehren und die Welt im Ganzen zu heiligen, nicht nur einzelne Menschen und Tiergattungen, wie Kühe oder Affen, einzelne Berge, Quellen, Bäume oder Orte.

Überall sollte uns das Heilige begegnen: In anderen Menschen, in Tieren und Pflanzen, in Erde, Wasser und Luft. Nur so kommen wir zum Frieden mit der Welt. Wenn Gott die Liebe ist, wie Christus lehrte, dann ist es eine Liebe, die niemand und nichts ausgrenzt, weshalb er auch die Feindesliebe lehrte, auch wenn es ebenso wahr bleibt, dass jedes Lebewesen sich seiner Feinde erwehren muss. Aber hassen muss es sie nicht. Wenn sich Kirchen und Religionsgemeinschaften der ganzen Welt auf den zeitlosen Kern dieser Botschaft besinnen und sie leben, ohne Anders- und Nichtgläubige, Frauen und sexuelle Minderheiten auszugrenzen, dann wäre es ein wichtiger Schritt zu einer friedlicheren Welt. Ja, gerade den Kirchen müssen wir zurufen: Gott wartet nur darauf, unter uns zu sein. Geben wir ihm und uns eine Chance. Machen wir einen neuen Anfang.

 

Zum Weiterlesen:
"Wege des Denkens" auf 

http://www.helmut-hille-philosophie.de/liebe.html

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